Landspritzenwagen
Wasserbauinspektor und Spritzenanfertiger La Mar/ La Mare
Dresden 1803
2m x 1,5m x 3,1m
Eingangs-Inv.Nr.: 50038
Dieser Wagen mit Landspritze ‒ auch Handdruckspritze genannt ‒ wird 1803 bei dem Dresdner Wasserbauinspektor und Spritzenanfertiger Johann Nicolaus Gottlob La Mar (z.T. als La Mare geschrieben) zum Preis von 416 Talern in Auftrag gegeben. Zum Vergleich: Ein einfacher Soldat in der sächsischen Armee um 1810 erhält 2 Taler im Monat. Die braun-rote Lackierung des Wagens sowie die gelben Schriftzüge „La Marn“ (sic!) und „Feuerwehr Collmen-Böhlitz“ werden erst in den 1990er Jahren aufgetragen. An der heutigen Position des „La“ war ursprünglich ein Blechschild mit dem Stadtwappen von Wurzen auf der einen Seite des Wagens und ein Widmungsspruch an die Bürger Wurzens auf der anderen Seite angebracht. Das zeigt eine Fotografie aus dem Kulturhistorischen Museum (Bild I1132). Beide Schilder sind im Museumsbestand. Neben Holz werden verschiedene Eisenbauteile wie der Laternenaufbau in der oberen und der Schlauchanschluss in der unteren Fahrzeugmitte verbaut.
Der Spritzenwagen kommt in seinen aktiven Zeiten in der Stadt Wurzen und im Umland zum Einsatz. Die Wurzener Handdruckspritze, die 1927 zum ersten Sammlungsgut des neu gegründeten Wurzener Heimatmuseums gehört, wird vom Rat der Stadt kurz nach dem Rathausbrand von 1802 gekauft. Die Ausstattung an Geräten zum Löschen besteht damals aus einer Feuerspritze mittlerer Größe, zwei Handspritzen, einigen Sturmfässern, drei Feuerhaken und wenigen Feuereimern. Die Feuerspritze liefert nur 70 Meßkannen (= 65,45 l) in einer Minute. Die neue Spritze soll wesentlich leistungsfähiger sein. In den 1990er Jahren wird der Wagen an die Freiwillige Feuerwehr Collmen-Böhlitz verliehen. Jetzt werden die Schriftzüge angebracht und Teile ausgetauscht. Seit 2018 ist das Objekt wieder im Museumsbestand.
Brandschutz ist eine zentrale Aufgabe jeder Kommune. Die erhaltene „Fewerordnung“ der Stadt Wurzen von 1571 beschreibt bereits notwendiges Gerät und Aufbewahrungsorte. Ein Spritzenhaus für die 1691 in Leipzig gekaufte Feuerspritze hat sich wohl auf oder an der Liegenbank befunden. Die älteste überlieferte Nachricht über eine für die Stadt Nürnberg gebaute „wunderbare Feuerspritze“ stammt von 1602. Die weltweit älteste, heute noch erhaltene Handdruckspritze wohl aus Schloss Bieberstein bei Fulda entsteht vermutlich 1624 bei einem thüringischen Hersteller mitten im Dreißigjährigen Krieg (1618–48). In Wurzen sind „zwei große Spritzen“ in der Feuerordnung von 1633 erwähnt.
Diese Landspritze von 1803 stammt zwar noch aus vorindustrieller Zeit, zeigt aber bereits deutliche technische Neuerungen im Vergleich zu solchen aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert. Sie wird nach wie vor mit Pferden gezogen und durch vierzehn Männer, allesamt Zivilisten, händisch bedient. Berufsfeuerwehren gibt es damals noch nicht. Freiwillige Feuerwehren entstehen in Wurzen erst seit 1857. Zum Vergleich: 2025 besteht die Stadtfeuerwehr mit den Ortswehren Wurzen, Kühren, Burkartshain, Nemt, Sachsendorf und Nitzschka aus 289 Personen, darunter 146 aktive Kameraden. 57 Personen gehören der Alters- und Ehrenabteilung an. 12 Mädchen und 26 Jungen versehen in der Jugendfeuerwehr von Wurzen ihren Dienst, darüber hinaus sind 22 Jugendliche auch in Nemt und 26 in Kühren aktiv dabei. Um 1803 bedienen dagegen einige untrainiertere Männer die Handpumpe, während andere versuchen, das Feuer einzudämmen. Pro Minute können mit der Spritze 350 Dresdener Meßkannen (= 325 l) Wasser bei einer Strahlweite von 60 Ellen (= 40 m) und einer Strahlhöhe von 55 Ellen (= 31 m) zum Löschen eingesetzt werden. Die Spritze hat „2 Messingzylinder mit Windblase“, also Druckwindkessel, damit der Strahl kontinuierlich austritt.
Das Löschen ist ein anstrengendes Unterfangen, weshalb sich die Männer oft abwechseln und auch weitere Zivilisten aushelfen. Das relativ geringe Volumen des Wassertanks bedeutet, dass stetig Wasser nachgefüllt werden muss. Zu dieser und anderen Hilfsarbeit bei Feuer sind die Bürger durch die städtische Feuerordnung ebenso verpflichtet wie zur Vermeidung von Feuer im Allgemeinen. Der Türmer von St. Wenceslai gibt bei Feuer Alarmsignale. Im Brandfall bilden die Helfer eine Kette, um mit Leder oder beschichteten Hanfeimern Wasser aus der nächstgelegenen Quelle (z.B. einem Brunnen oder Dorfgraben) heranzuschaffen. Dabei gilt: Je länger die Kette, desto größer der Wasserverlust. Zwar ist eine einfache Eimerkette ohne das Heranbringen der Spritze ein schnellerer Weg, um mit dem Löschen zu beginnen. Doch muss dabei das Wasser aus dem Eimer auf die Flammen geworfen werden. Für die Person am Ende der Kette ist das sehr gefährlich, da sie sich nah am Rand des Brandes befindet. Durch die Druckspritze können die Feuerwehrmänner das Feuer jedoch aus größerer Entfernung gezielt an den Brandherd bringen.
Die Hauptaufgabe liegt aber nicht im Löschen, sondern im Kühlen der angrenzenden Häuser und Dächer, um so ein Übergreifen des Feuers auf die Nachbargebäude zu verhindern. Jeder Tropfen des wenig vorhandenen Wassers muss so sinnvoll wie möglich eingesetzt werden. Um eine Brandausbreitung zu verhindern, werden deshalb auch bewusst Häuser abgerissen, um Brandriegel zu schaffen. Und trotz der Bemühungen brennen große Stadtteile oft nieder, auch in Wurzen. Im Laufe des 17. Jahrhunderts geschieht dies sogar mehrfach, was die Stadtentwicklung stark hemmt.
Bereits 1825 verfügt Wurzen über vier Spritzen. Zwei davon hatten unterschiedliche Anstriche, deshalb hieß die eine die „Rote“ und die andere die „Grüne“.
Quellen und Literatur
Wolfgang Grebenstein, Etwas von den Wurzener Feuerspritzen, Wurzen 1983, in: Aktenarchiv des Kulturhistorischen Museums Wurzen
Walter Koch, Die Wurzener „Feuer-Ordnung“ von 1730, in: Wurzener Erzähler. Sonntags-Beilage zum Wurzener Tageblatt und Anzeiger, Nr. 48, 27.11.1927, Nr. 49, 4.12.1927 u. Nr. 50., 11.12.1927.
https://www.feuerwehrverband.de/fachliches/fb/fa-technik/
http://www.ffw-markt-eschlkam.de/feuerwehr/feuerwehr/de/kinderseite/feuerwehr-frueher.php
https://geschichtsverein-wurzen.de/index.php/stadtchronik/stadtlexikon