Nur mit großer Verwunderung kann man die Stellungnahme des Grimmaer Oberbürgermeisters Matthias Berger zur Situation der Muldentalkliniken in der LVZ zur Kenntnis nehmen. Sehr gern würde ich ihm bei seinem vermeintlichen Anliegen folgen, die Klinik zu retten und nicht Grimma und Wurzen gegeneinander auszuspielen.
Aber allein der Glaube an die Redlichkeit dieser Aussage fehlt: zwei Vorstöße meinerseits im Frühjahr diesen Jahres nach einem gemeinsamen Vorgehen und einem Schulterschluss beider Städte in dieser Frage wurden durch Herr Berger abgelehnt. Stattdessen verfolgt er immer wieder eine Strategie nach dem Motto „Allein Grimma oder nichts“ oder aktueller ausgedrückt: „Entweder Grimma oder Insolvenz.“
Diese von OBM Berger verfolgte und ständig befeuerte egoistische Ein-Standort-Politik ist aus Sicht vieler Menschen nicht tragbar und sollte allen Befürwortern zu denken geben. Dies umso mehr, als dass sich Herr Berger mit seiner wutgeschäumten, populistischen Hetze immer weiter von der faktenbasierten Ausgangslage entfernt, auf der die neue Geschäftsführerin durchaus erfolgreich die Rettung der Kliniken vorantreibt.
Denn in den letzten Monaten ist - entgegen OBM Bergers Meinung - viel Positives passiert: Es gab eine Finanzspritze von 10 Millionen Euro zur Rettung der Kliniken, kostenintensive Verträge wurden gekündigt, wichtige Personalentscheidungen wurden getroffen, endlich ist ein gutes Einvernehmen mit dem Betriebsrat hergestellt, überhaupt ist Vertrauen in der Mitarbeiterschaft aufgebaut und sogar die ersten Umzüge stehen bevor. Damit wurden bereits mutige Sofortmaßnahmen umgesetzt und Kosten gesenkt – mehr im Übrigen als im Sanierungsplan ursprünglich zu diesem Zeitpunkt geplant.
Besonders hervorzuheben ist, dass sich die breite Mehrheit in der Unternehmensführung und im Kreistag nach jahrelangem hin und her für die fachliche Spezialisierung der Standorte verständigt hat. Die neue Geschäftsführung wurde mit der Aufgabe betraut, den erarbeiteten Maßnahmenplan zu prüfen und ggf. mittels Anpassungen auf einem weitestgehend sicheren Fundament aufzubauen. Ein Zeichen, dass das Problem der unzureichenden Prüfung des bestehenden Konzeptes erkannt wurde.
Dies alles ignoriert Herr Berger bewusst, weil es nicht in seine „Allein Grimma oder nichts“-Weltsicht passt. Stattdessen fordert er die Umsetzung von Maßnahmen aus dem sogenannten Sanierungskonzept ein, die inzwischen nachweislich entweder kontraproduktiv sind, rechtlich nicht umsetzbar oder finanziell desaströs. Inzwischen ist allen Insidern bekannt, und Herr Berger gehört durch seine Kreistagstätigkeit dazu, dass das Konzept kaum das Papier wert ist, auf dem es gedruckt wurde.
Kostenannahmen, wie vermeintlich notwendige Umbaukosten in Wurzen, haben sich als nicht haltbar, weil nicht notwendig erwiesen, dafür wurden mittelbare und unmittelbare Umzugskosten nach Grimma nicht evaluiert. Des Weiteren sind keine Maßnahmen hinsichtlich ihrer zeitlichen und rechtlichen Umsetzbarkeit überprüft worden. Infolge dessen stellt sich jetzt heraus, dass die Maßnahmen in keiner Weise ihre Wirksamkeit ausüben wie im Sanierungskonzept versprochen. Und nicht zuletzt bedarf es bei der Neuausrichtung der Muldentalkliniken der Einbindung eines konstruktiven Betriebsrates und engagierter Chefärzte. Dies war bei der Erarbeitung des beschlossenen Sanierungsplanes nicht der Fall.
Dies alles weiß Matthias Berger sehr genau – und trotzdem fordert er die Umsetzung eines fehlerhaften Sanierungskonzeptes ohne die von Kreistag geforderte Qualifizierung. Dass nun pauschales Schlechtgerede auf der Tagesordnung steht, nachdem sein Idealbild auf der Kippe steht, ist zwar logisch und traurig zugleich. Vor allem aber ist es gefährlich und unredlich, da er wider besseren Wissens die Klinik scheinbar in die Insolvenz laufen lassen will.
Statt zum Retter agiert er als Brandstifter mit fatalen Folgen für die Muldentalkliniken. Man muss den Eindruck haben, dass dies genau das Ziel von OBM Berger ist, weil er sich hiervon die besten Chancen für Grimma verspricht – den Tod der Klinik in bisheriger Form nimmt er hierfür gerne in Kauf. Dies als schäbiges Spiel zu entlarven sollte sich bitte auch der Landkreis als Gesellschafter zum Ziel setzen, statt sich durch Herrn Berger am Nasenring durch die Manege führen zu lassen.
Ziel des Kreistagsbeschlusses und Aufgabe der neuen Geschäftsführung ist es, die Muldentalkliniken zu retten, nicht sie mutwillig in die Insolvenz zu führen. Ich fordere Herrn Berger auf, sich diesem Ziel zu verpflichten. Gern biete ich ihm erneut auch ein gemeinsames Vorgehen an, den Schulterschluss also von Grimma und Wurzen. Dann könnten wir gemeinsam um den Erhalt beider Standorte mit entsprechenden Spezialisierungen kämpfen, samt der Sicherung von Grund- und Notfallversorgung.
Denn es kann doch nicht sein, dass die Basisnotfallversorgung für 50.000 Menschen in der Region Wurzen wegfallen und dafür deutlich längerer und lebensbedrohliche Fahrtstrecken im ländlichen Raum in Kauf genommen werden sollen (z.B. Falkenhain: statt 10min nach Wurzen, ca. 30min nach Grimma, womit sich die Fahrzeit zum gleichen Einsatzort sogar verdreifachen würde, also ca. 60min statt 20min). Dies hätte zur Folge, dass sich die Anzahl dadurch sterbender Menschen deutlich erhöhen könnte.
Grundsätzlich ist ein Konzept nie statisch, sondern sollte bei sich ändernden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen fortgeschrieben werden. Wenn sich Anpassungsbedarf ergibt, sollte sich der Vorgehensweise einschließlich neuer Entscheidungen nicht verschlossen werden – selbst wenn dieser umfangreiche aber notwendige Schritt mehr Zeit bedarf als nur bis Ende September. Auch sollte die Zustimmung einer Fristverlängerung ein logischer Schritt sein, insofern einem die medizinische Versorgung an beiden Standorten und damit über die Landkreisgrenzen hinaus am Herzen liegt. Welcher Oberbürgermeister, welcher Kreisrat bzw. welche Partei sollte sich einer Überarbeitung des Konzeptes verschließen, wenn es weiter optimiert werden kann und muss?!
Hier sind Weitsicht und strategisches Denken gefragt, wenn es der Rettung der Muldentalkliniken dient. Deswegen sollte die Geschäftsführung in ihrer Handlungsfähigkeit gestärkt und ihr nicht noch zusätzliche Steine in den Weg gelegt werden. Wir müssen auf kommunaler Ebene gemeinsam für den Erhalt beider Standorte kämpfen. Deshalb bin ich, trotz der Entwicklung und Haltung seitens OBM Berger, nach wie vor bereit für konstruktive Gespräche. Am Ende geht es ausschließlich um das Wohl der Bürger und um die Gesundheitsversorgung einer ganzen Region.
Marcel Buchta
Oberbürgermeister
Große Kreisstadt Wurzen